Hallo Ihr Lieben,
ich hatte schon in meinem Beitrag über die traumhafte Insel Sardinien, Teil 1, angekündigt, dass ich dem Thema Kunst auf Sardinien ein extra Kapitel widmen möchte. Hier folgt nun also Teil 2…
Wir waren unterwegs zu unserem dritten Standort, von Bosa in Richtung Muravera, und pausierten in einem kleinen, scheinbar unscheinbaren Ort: San Sperate. Schon vorher hat dieses Ziel unser Interesse geweckt; war es doch als sog. Künstlerdorf bekannt.
Manche Orte auf Sardinien haben etwas Unwirkliches – San Sperate gehört sicher dazu. Schon am Ortseingang wird man sich seiner Besonderheiten bewusst…
Dieses kleine Künstlerdorf, das sich durch seine lebendige Künstlerszene und einzigartige Identität auszeichnet, bietet eine faszinierende Mischung aus Antike und Moderne.
Es war also eine kleine Kolonie von Künstlern, die nicht von außerhalb kamen, sondern es waren die Einwohner selbst. Als schöpferisch tätige Bildhauer, Töpfer und vor allem Maler, begannen sie – in den 1960er Jahren – das Dorf in ein Freilichtmuseum zu verwandeln.
San Sperate liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Cagliari, der Hauptstadt von Sardinien, am Riu Mannu. Mitten in dieser fruchtbaren Ebene werden Orangen, Zitronen, Tomaten, Getreide und Pfirsiche angebaut. Da sie hier herrlich gedeihen, fährt man im Frühling durch ein riesiges Blütenmeer.
Aus einer der Grabstellen der früheren Bewohner – Karthager und Punier – konnte eine wunderbar erhaltene Maske entnommen werden. Später kamen die Reliquien des ‚Heiligen Speratus‘ in das heutige Sperate und irgendwann erhielt die Ortschaft den Namen des Heiligen.
Wenn man von Norden kommend in den Ort hineinfährt, fallen dem Besucher sofort die Wandgemälde, die sogenannten Murales, an den Häuserfronten auf.
Die Murales , eine kulturelle Schatzkammer voller Geschichte und Ausdruck. Es handelt sich dabei um bemalte Häuser und Mauern. Sie spiegeln die Geschichte der Insel wieder und sind somit Ausdruck der sardischen Identität.
Die Herkunft dieser eindrucksvollen Kunstform ist anfangs eng mit politischen und sozialen Ereignissen verbunden. In den 1960er Jahren, als Sardinien sich in der Phase des sozialen Wandels befand, dienten die Murales als Ausdruck des Protestes und der politischen Botschaften. Sie wurden häufig benutzt, um gegen die Benachteiligung der sardischen Bevölkerung zu protestieren.
Die Bedeutung erstreckt sich später jedoch über politische Botschaften hinaus. Sie sind auch Ausdruck der sardischen Kultur, Geschichte und Lebensweise. Denn die Gemälde erzählen von Mythen, Legenden und Traditionen der Insel. Sie zeigen die starke Verbundenheit der Sarden zu Landwirtschaft und Natur wider, die seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist.
Heute sind sie touristische Attraktion und lassen so den Besucher in die Welt der sardischen Kultur eintauchen.
Die künstlerische Tradition geht auf Pinuccio Sciola (1942-2016) zurück. Er ist in San Sperate geboren und begann schon als junger Mann, Skulpturen aus Stein zu fertigen. Auf seine Initiative hin entstanden Ende der 1960er Jahre die ersten Murales, die als Vorbilder für hunderte von Wandgemälden anderer Dorfbewohner dienten.
Heute sind viele leider verrottet, doch erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahren reichlich unpolitischer Nachwuchs eingestellt. So haben u.a. junge ungarische und deutsche Künstler plakative und originelle Murales entworfen.
Eine enge Verbindung zwischen Kunst und Natur zeigt sich auch im „Giardino Sonoro“, dem Klanggarten, ebenfalls ein Werk Sciolas. Er beherbergt eine Sammlung von singenden Steinen und Skulpturen, die bei Berührung mit melodischen Klängen reagieren.
Man kann ihn nur mit Führung besuchen, was an diesem Tag für uns leider nicht mehr möglich war. Ein andermal vielleicht…
Nun findet man aber nicht nur hier diese wunderbaren Wandmalereien. Sie schmücken die Straßen und Gassen vieler sardischer Städte und Orte, besonders in Orgosolo, Cagliari, Dorgali und vielen anderen.
Sie dienen heute als touristische Attraktion und tragen zur Förderung des kulturellen Erbes Sardiniens bei. Es sind also nicht nur Kunstwerke, es wird “ Die sardische Identität auf die Wände gemalt“.
Mit alten und neuen Wandmalereien zählt Sardinien derzeit fast 2000 Werke, die über die gesamte Insel verstreut sind.
Auch heute arbeiten noch Dutzende von Künstlern weiter zusammen daran, alten Gebäuden, Gässchen und Plätzen durch Farbe eine neue Identität zu geben.
Gern sind die gastfreundlichen Sarden bereit, ihr antikes Kulturerbe mit dem interessierten Besucher zu teilen.
Das war unser Eindruck dieser wunderschönen, geschichtsträchtigen Insel, die auf jeden Fall nicht nur eine Reise wert ist….
Bleibt mir gewogen bis zum nächsten Mal….